Die am 10. Dezember 1992 vom Bundesinnenminister verbotene Deutsche Alternative (DA) galt als die mitgliederstärkste neonazistische Organisation in den neuen Bundesländern. Sie wurde am 5. Mai 1989 in Bremen auf Initiative von Michael Kühnen gegründet. Erster Bundesvorsitzender war der Altnazi Walther Matthäi (Capitán Walter). Am 10. April 1990 bestätigte der Bundeswahlleiter den Eintrag der DA in das Parteienregister; die Partei verfügte somit über den Wahlstatus.
Die DA wurde als legaler politischer Arm der Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF) konzipiert, deren Hauptziele die Wiederzulassung der NSDAP und die Errichtung des "Vierten Reiches" sind. Ehrenmitglieder der DA sind u.a. Adolf Hitler, Ernst Röhm, Rudolf Hess und Joseph Goebbels.
In der DDR wurden die bereits bestehenden kühnentreuen Kameradschaften Cottbus und Dresden am 22. bzw. 29. Dezember 1989 in Ortsverbände der Deutschen Alternative umgewandelt. Im Februar 1990 folgte die Kameradschaft Rostock. Die Partei rekrutierte ihre Mitglieder hier vornehmlich aus der Nazi-Skinszene. Am 13. Januar 1990 nahmen erstmals Vertreteter der neuen Ortsverbände und aus Ostberlin an einem "Reichsparteitag" in der Nähe von Bonn teil, wo der Bundesvorsitzende Walther Matthäi zum "Reichsführer" der nunmehr "reichsweit" arbeitenden DA gewählt wurde. Am 20. Januar 1990 trafen sich die Führungskräfte der GdNF mit DA-Funktionären aus Dresden (u.a. Rainer Sonntag) und Cottbus in Frankfurt/O., um den "Arbeitsplan Ost" zum Aufbau einer neonazistischen Struktur in der DDR zu beraten und zu beschließen. Einer der wesentlichsten Punkte des Arbeitsplanes war die Entwicklung der DA in der DDR zu einer eingetragenen Wahlpartei. Da das Kürzel "DA" durch den Demokratischen Aufbruch bereits besetzt war, erfolgte eine zeitweilige Umbenennung in Deutsche Alternative Sachsen (DAS).
Die Kameradschaften der Deutschen Alternative in der DDR bildeten die Mitteldeutsche SA.
Am 16. März 1990 wurde im Beisein von Michael Kühnen und des Österreichers Gottfried Küssel (Volks-treue Außerparlamentarische Opposition/VAPO) die DDR-Sektion der DA in Westberlin gergründet. Vorsitzender wurde Ray Träger (Dresden), Stellvertreter der Ost-Berliner Ingo Hasselbach (Nationale Alternative/NA). Zum "Reichsleiter Mitteldeutschland" wurde der Westberliner Neonazi Oliver Schweigert (Freiheitspartei) gewählt. Zur Koordinierung der rechtsextremen Kräfte in Berlin formierte sich am 18. März 1990 der sogenannte "Berliner Block" als politisches Zweckbündnis von Deutscher Alternative, Nationaler Alternative und Wotans Volk.
Da es der Nationalen Alternative mittlerweile gelungen war, ins Parteienregister der DDR aufgenommen zu werden, womit sie - entgegen den Intentionen der Führung von GdNF und DA - ihre politische und organisatorische Selbständigkeit deutlich betonte, verzichtete die DA auf die eigene Legalisierung.
Während des ersten ordentlichen Parteitages der DA-Mitteldeutschland am 7. Juli 1990 in Kiekebusch bei Cottbus wählten die 120 Teilnehmer, darunter die Führungselite der bundesdeutschen Neonazis, eine neue Parteispitze. Vorsitzender wurde Karsten Wolter aus Cottbus, der Stellvertreterposten wurde mit dem Dresdner Mike Hönzke besetzt.
Am 1. Mai 1991, wenige Tage nach dem AIDS-Tod von Michael Kühnen, richtete die DA in Cottbus ein größeres Treffen ost- und westdeutscher Neonazis aus. Im Vordergrund standen die Diskussion um die künftige Strategie und die Nachfolge für Kühnen. Da man sich nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen konnte, wurde der Österreicher Gottfried Küssel interimistisch mit bestimmten organisatorischen Aufgaben betreut.
Auf dem nächsten Bundestreffen am 18. September 1991 in Duisburg versuchte der stellvertretende "Reichsvorsitzende", Michael Thiel, den aktivistischen Brandenburger Landesverband auszubooten und die Selbstauflösung der Partei vor dem damals bereits drohenden Verbot durchzusetzen. Mit Unterstützung der DA-Gruppe Rheinland Pfalz konnte dieses Vorhaben abgeschmettert werden. Der ehemalige Cottbuser Frank Hübner, der nach seiner Abschiebung in die Bundesrepublik in Soldatenverbänden, der DVU und der FAP politisch tätig war, übernahm den Bundesvorsitz. Stellvertreter wurden René Koswig und Karsten Wolter. Damit setzten sich zum ersten Mal Neonazis aus den neuen Bundesländern an die Spitze einer bundesweit agierenden rechtsextremen Organisation. Aus Protest gegen diese Entwicklung traten über 80 westdeutsche DA-Mitglieder aus der Partei aus. Sie engagierten sich neuen, zumeist regional wirkenden Gruppierungen wie Deutsches Hessen, Nationaler Block (NB) Bayern, Volkstreue Liste Baden Württemberg oder Der Deutsche Weg in Nordrhein-Westfalen. Diese Aufspaltung zog nicht zwangsläufig getrennt organisierten Aktionismus nach sich, sondern man handelte nach dem alten Leitsatz: "Getrennt marschieren, vereint schlagen."
Zum Zeitpunkt des Verbotes verfügte die DA über Landesverbände in Brandenburg (Vorsitz: Karsten Wolter), Sachsen (Vorsitz: Roman Dannenberg), Rheinland-Pfalz, Bremen und in der "Reichshauptstadt" Berlin (Vorsitz: Arnulf-Winfried Priem). Der Schwerpunkt ihrer Aktivitäten liegt jedoch in Ostdeutschland, wo sie vor allem in Brandenburg über einen hohen Bekanntheitsgrad und eine ebensolche Akzeptanz verfügt. Ortsverbände gibt es in Cottbus, Bad Liebenwerda, Eisenhüttenstadt, Finsterwalde (hier ist die gesamte NPD-Spitze unter der Leitung von Heiko Spiegel zur DA übergetreten), Forst, Frankfurt/Oder, Guben, Lübben, Luckau, Senftenberg und Spremberg. Über das Land Brandenburg hinaus wirkt die DA in Berlin, Rostock, Schwerin, Bitterfeld, Chemnitz, Dresden und Umgebung, Hoyerswerda, Johanngeorgenstadt, Leipzig, Eisenach, Gera, Jena, Nordhausen, Suhl, Saalfeld (umfaßte auch die Mitglieder in Stadtroda und Rudolstadt). Die Saalfelder Gruppe nannte sich zeitweilig Nationalsozialistische Arbeitergruppe.
Zur Unterstützung der Parteispitze sind der ehemalige DA-Vorsitzende von Niedersachsen, Thorsten Schönrock aus Wilhelmshaven, und der Kühnen- und Priem Intimus Rex (NPD-Berlin) nach Cottbus gezogen. Ihre Aufgaben liegen im Sicherheitsbereich. Im Austausch ist René Koswig für ein Jahr (wie es heißt, zur Schulung) nach Taunusstein gezogen, wo Hübner Bruder Peter in FAP und Taunusfront an vorderster Front tätig ist.
Der Bundesvorsitzende, Frank Hübner, gibt die Zahl der Parteimitglieder mit 1000 an, von denen 200 in den alten Bundesländern ansässig sind. Real dürfte die DA nicht mehr als 400 eingetragene Mitglieder haben, um die sich allerdings eine ansehnliche Menge von Sympathisanten schart. Die Deutsche Alternative versucht, gezielt sehr junge Leute anzusprechen, die organisatorisch in der parteieigenen Jugend (DAJ) gebunden werden. Hübner autoritäres und funktionärshaftes Auftreten führten jedoch auch zu Austritten, besonders unter Jugendlichen, deren rechtsextremes Weltbild nicht gefestigt war und deren Ambitionen mehr durch Denk- und Verhaltensmuster subkultureller Provinienz bestimmt wurden. Um in diese Reihen effektiv eindringen zu können, organisierte die DA große Skinmusik - Konzerte, z.B. mit neonazistischen Bands wie Skrewdriver, Wotan, Endstufe und Tonstörung. Eine eher untergeordnete Rolle spielen die Frauen in der Partei. Zwar wurde eine politische Aufwertung ihrer Rolle angestrebt durch die gleichzeitige Mitgliedschaft in der Deutschen Frauenfront (DFF), es ist allerdings nur wenigen Frauen gelungen, wirkliche Relevanz zu erreichen. Zu nennen wären da die Vorsitzende der DFF, die Kühnen-"Verlobte" und jetzige Lebensgefährtin von Christian Worch (NL), Esther ("Lisa") Wohlschläger und die Berlinerin Claudia Knothe.
Seit Mitte 1992 begann die DA mit dem Aufbau von Wehrsportgruppen und der Realisierung eines Vernetzungsplanes, der auf den sächsischen DA-Vorsitzenden Roman Danneberg zurückgeht. Beteiligt werden sollten Wotans Volk (Arnulf- Winfried Priem, Berlin), die Deutsch Nationale Partei (Thomas Dienel, Wei-mar), die FAP, die Völkische Front Leipzig/VFL (Dirk Zimmermann, Leipzig) und die Hallesche Deutsche Jugend/HDJ (Thomas Hank, Halle), die Nationale Liste/NL (Christian Worch, Thomas "Steiner" Wulff, Hamburg) und die Nationale Offensive/NO (Konstantin Mayer, Dresden).
Die DA hat auch bereits Verbindungen zum Ku-Klux-Klan aufgenommen, Klansman Kirk Lyons nahm an Parteiveranstaltungen als offizieller Gast teil. Im unmittelbaren Zusammenhang mit Wehrsportgruppen dürfte der Überfall von DA-Mitgliedern auf eine brandenburgische Bundeswehrkaserne im Dezember 1992 stehen, bei dem Übungssprengstoff und Munition entwendet wurden.
Im Sommer 1992 rief die Parteiführung zur aktiven Teilnahme am Bürgerkrieg in Kroatien auf.
Die DA wollte an den 1993/94 bevorstehenden Kommunal- und Landeswahlen in Brandenburg und Sachsen teilnehmen. Dabei gingen ihre Funktionäre von zweistelligen Stimmanteilen aus. Interessant sind die Bürgerbefragungen und Unterschriftensammlungen zur Ausländerakzeptanz, die in Cottbus und Umgebung durchgeführt wurden.
Im Rahmen der Schulungsarbeit edierte die Deutsche Alternative den Brandenburger Beobachter, der unter Umgehung des Pressegesetzes als Rundbrief deklariert wurde. Das Blatt ist gekennzeichnet durch antisemiti-sche Verbalattacken und ungezügelte Haßtiraden gegen die Feinde: Linke, Parlamentarier, Ausländer, Angehörige von Minderheiten. Zu Wort kommen auch "Gastkommentatoren", wie der inhaftierte Österreichische Rechtsextremist Gottfried Küssel (VAPO, NSDAP/AO).
Das Programm der DA unterscheidet sich nur unwesentlich von denen gleichartiger Organisationen:
Es ist stark antikapitalistisch ausgerichtet, fordert sozialpolitische Maßnahmen ein, drängt auf die "Rückgabe der besetzten deutschen Ostgebiete" und orientiert auf den Lebens-, Natur- und Umweltschutz. Die Rückbesin-nung auf die klassischen preußischen Tugenden wird mit dem Versprechen auf ein "großzügiges, sozialistisches Beschäftigungsprogramm" verbunden. Intern werden der Holocaust geleugnet, ein "Großdeutsches Reich" und die Wiederzulassung der NSDAP gefordert.
Die DA plante die Ausweitung ihrer Aktivitäten nach Polen und organisierte Grenzprovokationen. Zur Unterfütterung wurden Kontakte zum Bund der Vertriebenen/BdV aufgenommen.
Obgleich die Aktivisten um Hübner immer abgestritten haben, daß sich die Partei an der Vorbeitung und Durchführung von Pogromen gegen Ausländer- und Asylbewerberunterkünfte beteiligt hat, sprechen die Tatsa-chen eine andere Sprache. Sowohl in Cottbus als auch in Eisenhüttenstadt wurden Mitglieder der DA im September 1992 festgenommen, die z.T. sogar ihre Parteidokumente bei sich trugen. Roman Dannenberg, Ex-NPDler und Ziehkind des hessischen Neonazis Heinz Reisz, kommentierte die Ausschreitungen in Rostock lapidar "Rostock ist nur ein Anfang.".
In den letzten zwei Jahren ist der ostdeutsche DA-Flügel wiederholt als Veranstalter bundesweiter Neonazi-Treffen tätig geworden. Organisiert wurden u.a. die Feiern zum 1. Mai 1990-92 (formal unter der Schirmherrschaft der Freien Deutschen Gewerkschaftsbewegung/FGB, die über keine eigene Struktur verfügt und im wesentlichen durch die Person von Heinz Reisz getragen wird) und das Pfingstlager der Wiking Jugend vom 17.-20.Mai 1991.
An den großen Aufmärschen, wie z.B. der alljährlichen Rudolf-Hess-Ehrung, zum "Heldengedenken" in Halbe 1990/91, dem Trauermarsch für den ermordeten Rainer Sonntag und der Kundgebung zum 9. November 1991 in Halle mit David Irving, nahmen die DAler äußerst zahlreich und erkennbar teil.
Feste Kontakte existierten auch zu den rechtsextremen Organisationen im europäischen Ausland, bis hin zur NSDAP/AO in Kanada und den USA.
Obwohl Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe mit Frank Hübner am 2. Septmber 1992 vor laufender Kamera von Politiker zu Politiker verhandelt hatte, und sein Innenminister Alwin Ziel zum gleichen Zeitpunkt noch nicht einmal wußte, daß die DA eine eingetragene Wahlpartei war, traf das Verbot die Parteispitze doch nicht unvorbereitet. Hübner denkt bereits laut über neue Strukturen nach, denn ihm ist, laut Verbotsverfügung, die politische Tätigkeit nicht untersagt. Die NPD, die sich künftig mehr auf den Strasserschen Nationalrevolutionarismus orientieren will, hat signalisiert, den DA-Mitgliedern eine neue politische Heimstatt geben zu wollen.
Die DA wird gegen das Verbot beim Bundesverfassungsgericht klagen
Stand: 1997
Quellennachweis:
Lexikon Deutschland rechtsaußen
Michael Bauernschmidt, Susanne Brandt, Ulli Jentsch, Kurt Ohrowski (Hg.)
In: Jens Mecklenburg (Hg.): Handbuch Deutscher Rechtsextremismus,
S.145-547, Berlin 1996