Wanderjugend Gibor (WJG)

Gegründet :
1996
Sitz :
Cottbus
Organisation in Sachsen :
Dresden
Vorsitzender :
 
Publikation :
echt knorke!

Freie Zukunft

Märkische Jugendwarte

Anzahl der Mitglieder :
 
Präsenz im Internet :
eigene Homepage

 Die Wanderjugend Gibor (WJG) ist eine neonationalsozialistische Kleingruppe. Sie bietet Jugendlichen eine "deutsche Freizeitgestaltung". Im Rahmen von Wanderungen, Lagerfeuerabenden und anderen Veranstaltungen wird teils offen, teils verdeckt an Traditionen und Denkmuster des Nationalsozialismus abgeknüpft.

Die WJG will dabei keine geschlossene Organisation sein; eine Mitgliedschaft im klassischen Sinn soll es nicht geben, nur einen Kern und ein Freundesumfeld. Die Gruppe versteht sich als Sammlungsbewegung, die ihre Anhänger anhält, in anderen Gruppen, Parteien oder Vereinen, mitzuarbeiten, um dort Einfluss zu nehmen.

Die Gruppierung hatte sich Mitte der neunziger Jahre im Raum Cottbus (Brandenburg) gebildet. Im Jahr 1998 erweiterte sie ihren Wirkungskreis auf andere Bundesländer, darunter auf den Freistaat Sachsen.

In unregelmäßigen Abständen werden als Mitteilungsblätter oder Rundbriefe bezeichnete Publikationen herausgegeben. Auch im Internet präsentiert sich die WJG umfangreich.

Die WJG hat in Sachsen, Brandenburg, Niedersachsen, Berlin und Thüringen so genannte "Leitstellen" mit Postfachadressen eingerichtet. Diese "Leitstellen" dienen als Anlaufadressen für Interessenten und sind für die Herausgabe der Rundbriefe und die Koordinierung von Veranstaltungen verantwortlich.

Politische Zielsetzung

Unter dem Deckmantel von Kameradschaft und naturverbundener Freizeitgestaltung versucht die WJG, junge Leute für den Rechtsextremismus zu rekrutieren.

Der Rückgriff auf Elemente der nationalsozialistischen Ideologie ist in einzelnen Schriftbeiträgen erkennbar.

Die WJG beschreibt ihre Internetseite als "Netzseite der deutschen Jugend", über die man "(...) in die Gedanken- und Lebenswelt der deutschen Minderheit in der BRD" eintauchen könne. Die einzelnen Links tragen Namen in provozierendem NS-Jargon wie z. B. "Reichspost", "Erholungswerk 'KdF'" und "Reichskulturkammer". Letztere sei notwendig geworden, "(...) um dem degenerierten Müll der postmodernen Fäkalienkünstler etwas entgegenzuschleudern". Auch an anderen Stellen in Publikationen der WJG finden sich typische Begriffe aus dem Sprachgebrauch des Nationalsozialismus wie z. B. "arteigen", "Blut und Boden", "Völkervermischung" oder "Volksgemeinschaft".

Die WJG befasst sich intensiv mit der Ideologie des Nationalsozialismus und versucht, dieses Gedankengut in die Gegenwart zu projizieren. Im Internet wurde der Beitrag "Die Idee Europa" mit einem Hinweis "In Gedenken an Werner Daitz" verbreitet. Nach dem Artikel ist "die Idee des vereinten Europa am Anfang der vierziger Jahre geboren, als der Kampf zwischen lebensgesetzlicher Neuordnung und globaler Nivellierung tobte. Der zweite Weltkrieg war kein bloßer Wirtschaftskrieg zum 'Beutemachen', sondern entwickelte sich zum totalen Weltanschauungskrieg in wirtschaftlichen und sittlichen Fragen." Der 2. Weltkrieg wird als notwendiger Akt dargestellt, um das "Ordnungsgefüge der Einzelfamilie-Volksfamilie-Völkerfamilie" gegen eine zerstörerische Weltordnung zu verteidigen. Die anstehende Einigung Europas wird begrüßt. Aber: "Noch steuern (in Verwesung begriffene) liberalistische Kräfte die Vereinigung, übernehmen oder vollenden aber müssen sie andere." Im Zugedes sich einigenden Europas sieht die WJG wiederum die Hegemonie Deutschlands im Vordergrund. Sie schlussfolgert: "Dieses Erbe des deutschen Philosophen Werner Daitz gilt es zu verinnerlichen und anzutreten."

Der neonationalsozialistischen Denkweise der WJG ist die parlamentarische Demokratie des Grundgesetzes fremd. In einer Ausgabe von "echt knorke!" erläutert der Verfasser, dass die derzeitige Gesellschaftsordnung aus einer von der Natur gegebenen Grundordnung ausbreche und damit den "Nährboden für die Ochlokratie - die Diktatur der Schlechten" bereite. Dieser Ochlokratie soll entgegengearbeitet werden, indem "(...) wir von der Wanderjugend (...) das Gegensätzliche von dem tun, was die Ochlokraten von uns fordern."

Aktuelle Entwicklung und Aktivitäten

In ihren Rundbriefen und im Internet weist die WJG auf künftige Vorhaben hin und berichtet über stattgefundene Aktivitäten. Die Wanderjugend Gibor unternahm z. B. mehrtägige Wanderungen, veranstaltete selbst oder beteiligte sich an Sonnwendfeiern, widmete sich Umweltaktionen und nahm an Kulturveranstaltungen teil.

Öffentlichkeitswirksam ist ein Trauermarsch am 13. Februar 1999 geworden, dem Jahrestag der Zerstörung Dresdens im Jahre 1945. Die Junge Landsmannschaft Ostpreußen (JLO) hatte eine Gedenkveranstaltung mit einer Teilnehmerzahl von 30 Personen angemeldet. An diesem Trauerzug beteiligten sich dann mehr als 100 Personen, darunter auch zahlreiche Anhänger der WJG. Die enge Zusammenarbeit beider Organisationen zeigte sich auch bei gemeinsamen Wanderungen und anderen Zusammenkünften, z. B. Vortragsveranstaltungen. So führten sie gemeinsam eine Sonnwendfeier mit 50 Teilnehmern durch.

Zu den Veröffentlichungen der WJG im Berichtsjahr gehört ein als Rundbrief für "alle Freunde und deren Freunde" bezeichnetes Liederheft mit dem Titel "Sing mit! - Liederheftlein der deutschen Gibor-Jugend, Frühling 1999". Es enthält über 60 Liedtexte, die sich überwiegend mit den Themen Kampf, Soldatentum, Lebensraum und Heimat befassen. Etwa ein Drittel dieser Lieder waren im SS-Liederbuch, herausgegeben von der Reichsführung SS, enthalten. Dazu gehört auch das Lied der "Hitlerjugend" (HJ). Nicht alle diese Lieder sind nationalsozialistischen Ursprungs, sie wurden jedoch für die damalige Ideologie missbraucht.

In einem Lied mit dem Titel "Restdeutschland" kommt man nach der Feststellung in der ersten Strophe:

          "Du wunderschönes deutsches Land, wie bist du klein geworden!

          Zerstückelt und in Feindeshand, besetzt von fremden Horden, ..."

in der dritten zu folgender Erkenntnis über Hitler und die Ursachen des 2. Weltkrieges:

          "Und schob die Schuld auf jenen Mann, der nur den Frieden wollte,

          und dem sein Volk, verblendet dann, nur schnöden Undank zollte, ..."

In ihren Internet-Seiten verweist die WJG über Links auf die Internet-Seiten anderer Rechtsextremisten. Im September hat sie unter der Überschrift "Deutschfreundliche Musik" Dateien der beiden rechtsextremistischen Liedermacher Jörg Hähnel und René Heizer zum Herunterladen angeboten.

(Quelle: Verfassungsschutzbericht Sachsen 1999)

Die Wanderjugend Gibor (WJG) hat sich nach eigenen Angaben am 1. Februar 2000 ihre Tätigkeiten „unter Protest“ eingestellt. Wegen  einer „Beschlußfassung zu Anschlägen auf die Love Parade mittels Panzerminen während einer Sonnenwendfeier“ kam es zu mehreren Hausdurchsuchungen. Nun will die WJG in „neuen Formen“ weiterarbeiten. Das Internetangebot soll in abgespeckter Form weiterbestehen.

(Quelle: Was geht ab? Nr. 30/2000)

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